Auf meinem ersten Alexandertechnik-Retreat machte ich eine ganz besondere Begegnung: Eva. Sie kam schon ganz am Anfang auf mich zu und reichte mir ganz direkt und offen die Hand: „Wir kennen uns noch gar nicht. Ich bin Eva.“ Ich dachte mir: „Was für eine außergewöhnlich aufgeschlossene Frau. Und das trotz ihrer um die 70 Jahre, wo viele so sehr mit sich und ihrem Leiden beschäftigt sind.“ Was ich später erst erfuhr: Eva hat die 70 schon einige Zeit hinter sich gelassen, und erfreut sich gerade an ihrem 94. Lebensjahr.
Während der nächsten Tage des Retreats habe ich mit Eva getanzt, bis ICH nicht mehr konnte, einem selber verfassten spontanem Gedicht von ihr gelauscht, das so viel Witz und Tiefe hatte, um bei einem Poetry Slam zu gewinnen, und mich wunderbar von ihr als Alexandertechnik-Spezialistin behandeln lassen. Und ich habe niemanden so oft herzlich lachen hören, wie Eva. Ich war erstaunt von dieser Frau! Und staune immer noch darüber, wie frau mit Leichtigkeit in diesem Alter so viel Freude, Weisheit und Energie versprühen kann.
Genau deswegen bin ich mit Eva ins Gespräch gekommen. Ich wollte wissen, was es braucht, um nicht „fest“ zu werden, also körperlich und geistig auch im hohen Alter noch agil und lebensfreudig zu sein. Genau dazu habe ich ein Interview mit ihr geführt, was du hier hören kannst:
In dem Interview (hier der YouTube Link) und in der Begegnung mit ihr habe ich ein paar ihrer Kniffe für ein langes, und vor allem freuderfülltes Leben gefunden:
- Sei ein „JA“ für das Leben und seine Einladungen
Wenn eine Freundin Eva anruft, um sie spontan zu besuchen, kann sie damit rechnen, dass Eva sagt: “ja klar, wann denn?“. Im Gegensatz zu dem „mal schauen, ich habe morgen schon das und das, und weiß nicht, ob mir das nicht alles zu viel wird.“ Und auch bei meiner Einladung, mit ihr ein Interview zu machen, und über sie einen Artikel zu machen, sagte sie erstmal freudig JA, BEVOR Sorgen und Ängste sie doch noch umstimmen konnten. Wenn eine Person mit einem großen JA für das Leben und seine Möglichkeiten auf der Erde wandelt, dann wird sie selber zu einer Einladung für Spontanität und Freude. Und genau so habe ich das bei Eva gesehen. Um sie herum ist stets ein Feld von Energie und vielen spontanen Möglichkeiten - einfach, weil sie nichts davon abblockt. - Glaube nicht der Geschichte vom Alter - das Leben ist in jedem Alter voller neuer Möglichkeiten!
Eva hat nie der Geschichte geglaubt, dass sie für irgendwas zu alt sei, oder das wegen ihres Alters irgendwas jetzt nicht mer ginge. Im Alter von 66 Jahren, also in dem Alter, wo die meisten ihre Rente im Sessel verschaukeln, schulte sie nochmal komplett um, und wurde zur Lehrerin für Alexandertechnik. Pbrigens auch das selbe Alter, wo sie ihre ersten zwei Exkursionen in den Himalay unternahm. Und auch jetzt denkt sie nicht daran, für irgendetwas zu alt zu sein: sie bildet sich immer noch fort in der Alexandertechnik, und geht seit geraumer Zeit zur Universität! Ich habe bei Eva nie die Geschichte gehört, die ich zum Beispiel von meiner Mutter kenne: „Ach, das fange ich jetzt nicht mehr an - in meinem Alter lohnt sich das nicht!“ In Evas Alter lohnt sich alles. Und wenn jetzt dran ist, nochmal ihre Wohnung umzurichten, dann wird das eben gemacht. Wichtig ist immer nur, was JETZT dran ist.
- Bleibe in Bewegung - mit Freude!
Eva geht Schwimmen, wandern, macht zu Hause Gymnastik, und fährt mit dem Rad Einkaufen. Oder eine ihrer 4 Freundinnen im Altersheim besuchen. Sie bewegt sich deutlich mehr, als die meisten Bürotäter*innen in meinem zarten Alter in den Dreißigern. Und sie zwingt sich zu nichts, sondern verbindet die Bewegung mit Freude - nach dem Schwimmen wird gemeinsam Kaffee getrunken und gequatscht, und beim Wandern wird natürlich ausführlich gepicknickt. Die Freude am Tun geht bei Eva immer vor, und so muss sie sich zu gar nichts motivieren - der Spaß an der Sache bewegt ihren Körper wie von ganz allein.
- Lasse neue Menschen in dein Leben und webe dein soziales Dorf
Eva geht mit einer beeindruckenden Offenheit und Zugewandtheit durchs Leben, und so kommen ständig neue Menschen in Eva's Leben. Und sie begrüßt diese Menschen herzlich - denn jede Person bringt eine neue Sichtweise, einen neuen Aspekt in ihr Leben. Und so bleibt ihre Welt bunt und voller neuer Impulse! Und ihr offenes Wesen wie ihr großes Herz sorgen dafür, dass diese Menschen Teil ihres Netzwerkes werden.
Eva hat zwar keine Kinder. Aber sie ist alles andere als einsam. Sie hat sich ein soziales Dorf arrangiert aus Menschen, mit denen sie in Herzverbindung ist. Und die für sie da sind und ihr bei den Hürden helfen, die es im Alter zu bewältigen gibt. - Die Sache mit dem halb vollen Glas
Natürlich hat Eva wie jeder Mensch ihre Baustellen und Gebrechen. Aber sie stellt diese nicht in den Vordergrund. Anstatt wie vie die meisten Menschen ein Gespräch mit Wehklagen darüber anzufangen, was gerade alles nicht geht, kommt sie ins Schwärmen darüber, WAS alles noch geht. Und mit dieser Freude und Dankbarkeit arbeitet sie ganz gelassen an dem, was für andere Menschen vielleicht ein großes Problem wäre.
Ich danke dem Leben, dass ich so einer beeindruckenden Frau begegnen durfte.
Und ich danke dir Eva für dein Strahlen und deine Herzlichkeit - und dass du mir zeigst, wie wundervoll und leicht Altern sein kann!